Seit der Nacht zum Dienstag donnern wieder Militärflugzeuge über Gaza. Israel hat die Waffenruhe mit der Hamas gebrochen. Bei den schwersten Angriffen seit deren Beginn Ende Januar sollen laut Angaben der von der Hamas geführten Gesundheitsbehörde mehr als 400 Menschen getötet worden sein. Wie die Hamas selbst mitteilte, soll unter anderem der Regierungschef der Terrororganisation getötet worden sein. Unabhängig überprüfen lässt sich das bisher nicht.
Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, die neue Offensive sei eine Reaktion auf die gescheiterten Gespräche mit der Hamas über die Freilassung weiterer Geiseln. Zuletzt hatte die von Donald Trump geführte US-Regierung direkt mit der Terrorgruppe über die Freilassung weitere lebender israelischer Geiseln mit US-Staatsbürgerschaft verhandelt, allerdings vergeblich. Wie das Wall Street Journal am Dienstag berichtete, soll Trump die neuen israelischen Angriffe abgesegnet haben. Er hatte der Hamas zuvor gedroht, dass die «Hölle ausbrechen» würde, sollten die insgesamt 59 Geiseln nicht sofort freikommen. Damit hatte sich der US-Präsident selbst eine Falle gestellt: Trump hat Netanjahu bei den Gesprächen mit der Hamas übergangen, und auf Drängen der USA kam der Waffenstillstand überhaupt erst zustande. Das Scheitern der Gespräche könnte Netanjahu nun ausgenutzt haben, um damit das Ende der Waffenruhe zu rechtfertigen.
Für die Zivilisten in Gaza sind die erneuten Angriffe zweifellos eine Katastrophe. Und auch für Menschen in Israel kündigen die Luftschläge düstere Zeiten an. Die Familien der Geiseln teilten am Morgen mit:
Nur 24 der Verschleppten sollen noch am Leben sein. Die Familien deuten die erneuten Angriffe als Beweis, dass Netanjahu kein Abkommen mit der Hamas, sondern allein die militärische Eskalation will − und damit das Leben der übrigen Geiseln riskiert. Wie bisher Freigelassene berichteten, liessen die Terroristen die Geiseln immer wieder spüren, wenn eine erneute Verhandlungsrunde scheiterte. «Jedes Geiselgeschäft, das scheitert, bringt eine Menge Frustration, Wut und Zorn in ihnen hervor», sagte etwa Omer Wenkert, der im Zuge der jüngsten Waffenruhe nach mehr als einem Jahr Gefangenschaft freikam.
Ende Februar war die erste Phase der Waffenruhe offiziell ausgelaufen, Gespräche über eine zweite Phase führten bisher zu keinem Ergebnis. Netanjahu gibt dafür der Hamas die Schuld. Wie aber etwa der israelische Journalist Neri Zilber bereits vor Wochen der Financial Times mit Verweis auf «mit den Verhandlungen vertrauten Personen» schrieb, versucht Netanjahu, diese erste Phase der Waffenruhe auf «unbestimmte Zeit» zu verlängern. Demnach strebe Netanjahu eine Art Phase 1+ an, mit dem Ziel, weitere Geiseln freizubekommen, ohne sich zu «einer dauerhaften Beendigung des Krieges oder einem vollständigen Truppenabzug aus dem Gazastreifen zu verpflichten».
Nicht nur die Geiselfamilien flehten wiederholt die eigene wie die US-Regierung an, das Abkommen zu verlängern. Auch innerhalb der gesamten Bevölkerung ist eine tiefe Kriegsmüdigkeit zu spüren. Laut einer repräsentativen Umfrage des Israel Democracy Institutes von Anfang März fordern 70 Prozent eine Fortsetzung der Waffenruhe. Innenpolitisch ist die Stimmung damit vollkommen anders als zu Kriegsbeginn, nach dem verheerenden Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023. Der Armee gehen zudem die Soldaten aus. Viele Reservisten sind wegen Verletzungen und posttraumatischen Belastungsstörungen nicht mehr dienstfähig. Bis zu 12'000 Soldaten und Soldatinnen sollen der Armee aktuell fehlen, berichten israelische Medien.
Netanjahu ignoriert in seiner Rhetorik diese innenpolitische Wirklichkeit. Wiederholt betont er, Israel befinde sich weiterhin «mitten im Krieg». Dass es etwa mit der Hisbollah im Libanon seit Monaten eine Waffenruhe zugunsten Israels gibt, fällt dabei genauso weg wie der Sturz des Assad-Regimes in Syrien als Folge der Schwächung der Hisbollah, seit dem es auch an dieser Front seit Monaten keinen Raketenbeschuss mehr auf Israel gibt. Während Netanjahu permanent den Fokus auf äussere Gefahrenlagen legt, gräbt er weiter an der inneren Struktur des Landes.
Einerseits zeichnet sich ein politischer Richtungswechsel beim Militär ab. Kürzlich trat der auch in linken Lagern respektierte Armeechef Herzi Halevi zurück. Seinen Nachfolger Eyal Zamir beobachten vor allem die Journalisten der Tageszeitung Ha’aretz mit grosser Skepsis. Unter dem Titel «Die neue Führungsspitze der israelischen Armee macht einen Rechtsschwenk» untersuchte Amos Harel diese Woche, wie sich unter Zamir die Armee verändere, personell und strategisch: Erst kündigte der bei der Regierung wenig beliebte Armeesprecher Daniel Hagari seinen Rücktritt an, dann wurde bekannt, dass Zamir offenbar eine neue Offensive in Gaza vorbereitet. Ha’aretz sieht darin «übereifrige Bemühungen, sich bei den Rechten einzuschmeicheln». Die Befürchtung: Nach dem politischen Rechtsruck drohe jetzt auch das einst im Selbstverständnis linke Militär nach rechts zu rücken.
Und andererseits baut Netanjahu beim Geheimdienst um. Diese Woche erklärte er, Ronen Bar, den Chef des Inlandsgeheimdiensts Schin Bet, entlassen zu wollen. Das Verhältnis zu Bar galt ohnehin schon länger als belastet. Nun untersucht der Schin Bet mögliche illegale Verbindungen im Umfeld Netanjahus zu Katar, das zwischen Israel und der Hamas vermittelt. «Zu jeder Zeit, aber vor allem in existenziellen Kriegszeiten, muss der Premierminister volles Vertrauen in den Direktor des Inlandsgeheimdiensts haben. Leider ist es nicht so: Ich habe dieses Vertrauen nicht», erklärte Netanjahu Anfang der Woche. Ronen Bar selbst verwies als Reaktion auf die institutionelle Unabhängigkeit seines Geheimdiensts. Kritik kam sofort aus der Opposition, aber auch aus der Justiz. Die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara wies Netanjahu zurecht, dass diese Entlassung nicht ohne gründliche juristische Untersuchung der Umstände erfolgen dürfe, und verwies auf mögliche Interessenkonflikte.
Wie die Armee gehören die Geheimdienste zu den Sicherheitsinstitutionen, die bisher das System trugen, das seit Antritt der aktuellen Netanjahu-Regierung im November 2021 wankt. Auch wenn Netanjahu die erneuten Angriffe auf die Hamas in Gaza zu rechtfertigen versucht − sie fallen zusammen mit neuen innenpolitischen Spannungen. Entsprechend schwer zu berechnen sind die weiteren Entwicklungen.
Die Hamas teilte am Dienstagmorgen mit, weiterhin an Gesprächen interessiert zu sein. Derweil erklärte Itamar Ben-Gvir, der aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung seinen Posten als Sicherheitsminister geräumt hatte, er sei nun bereit, wieder in Netanjahus Koalition zurückzukehren.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.
Mit der Wiederaufnahme vom Krieg kommen ein paar Rechtsextreme Stimmen zurück für die Mehrheit im Knesset.
Das ist der einzige Grund für Netanjahu.
Wenn er da verliert, wackelt alles und er wandert in den Knast wegen Korruption.
Er ist nur noch nicht im Gefängnis, weil er noch Premier ist.
Also sterben weiter Menschen, nur dass ein Verbrecher seinen Zeit im Knast hersuszögern kann.
Rechtsextremer Jude, ich habe immer Mühe mir das zu visualisieren. Gibt es scheinbar doch, mehr als wir uns das wünschen